Freundliche Betrachtung des Hirten

 

Freilich betrachtet freundlich das Kind den Hirten,

Wenn er den Stab mit der Hand ergreift

Und lockt die Herde:

„Aiee, aiee, ihr Guten!“,

Setzt sich in Trab gemächlich und über die Auen gleitet der hilfreiche Wind.

 

Drunten die Dörfer in ihrem stillen Gemäuer,

Brandschatten huschen herauf und ruhig kräuselt der Rauch.

 

Neben den Wäldern strecken sich dehnend die Wiesen,

Struppige Ästlein zum Stolpern und dornige Zweige die Menge

Und immer dazwischen ein stilles, ein herbes Gewächs,

Das sie zu Milch verarbeiten, unsere Tiere.

 

Abend und Morgen wechseln im stimmigen Gang,

Sonne und Mond, Regen und webender Nebel,

Alles in Fülle spendet Er uns und viel

Leitet herüber der Eine dem helfenden Hirten.

 

Hatte nicht einst um Hilfe gebeten der leidende Mensch und dachte,

Die Zeit entflöge ins drohende Dunkel bald,

Und an dem Gnadensee entfesselte Wissen das Sein?

 

Wissen aber und Gnade geleitet ins Dornholz,

Blut und Gewalt und eine Ende der kurzen Gewissheit,

Bis sie erkannten und heute noch redet der Hirte lockende Worte,

Ruft seine Schafe: „Aiee,  ihr Guten, nun  kommt!“

 

Mahnung an den Hirten

 

Nun sehet es und seht es genauer,

Denn wer genau hinsieht, der wird schlauer

Und hört nicht nur auf den leisen Ton,

Den kennen wir, den kennen wir schon.

 

Jetzt geht und springt und sprecht meinetwegen

Und holt euch die Hoffnung und holt euch den Segen,

Denn gestern und heute und sicher auch morgen

Begleiten uns Klagen, begleiten uns Sorgen.

 

Da weiß jemand Sicheres, weiß es genau,

Er sagt es zum Kind, zum Mann und zur Frau:

„Kommt alle, die ihr zum Mahl geladen,

Ich hab was für euch, ich hab was zu sagen.“

 

Ein seltsam lachender Hirte im roten

Pelz und seltsam die Hände erhoben

Schickt seine Grüße aus und den Segen

Und unten stehen die Schafe im Regen.

 

 

Hirtenfalle

 

Die Falle ist eine Grube,

Die Grube besteht aus Tiefe,

In der Tiefe sitzt die Angst.

Die Angst wird aus der Grube gelassen.

 

Dann erscheint der Hirte,

Goldglänzend und grün (wie die Hoffnung an seinem Gewand!),

Er faltet die Hände und hält sie, die Hoffnung,

An seinen Fingerspitzen.

 

Und nun:

Den Hirtenstab in der einen Hand, die andere zum Winken abgerichtet,

Öffnet er den runden Mund:

"Oremus, fratelli e sorelle!"

Beifall braust auf und Tauben, schnelle, steigen jetzt auf,

Die Sonne strahlt helle. -

Und auf dem Kopf die ägyptische Mütze.

 

Applaus von unten und oben lacht leicht und leise der Hirte,

An den Fingerspitzen die letzte Hoffnung,

Dann aber fällt sie und gleitet zur Angstgrube runter.

„Ein Wunder", schreien wir, "ein Wunder!“